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momag.at, 17.04.2014

 

Mit feiner Klinge. Slavko Ninic von der Wiener Tschuschenkapelle im momag-Gespräch

 

Die Wiener Tschuschenkapelle ist als Aushängeschild für das „andere“, weltoffene Wien nun schon seit 25 Jahren aktiv. Gespielt werden neben Wiener Liedgut auch russische Volksweisen, albanische Tänze, kroatische Folklore und noch vieles mehr. Das momag traf Slavko Ninic in seiner Wiener Wohnung, um mit ihm bei türkischem Kaffee und selbstgebranntem Sliwowitz zu plaudern.

 

Von Petra Ortner

 

Die Tschuschenkapelle hat ja als Trio begonnen.

 

Angefangen haben wir 1989. Ziemlich bald kam der vierte Mann dazu, Metin Meto, ein türkischer Percussionist. Das war schon nach einem, höchstens zwei Jahren. Dann waren es bald vier, dann fünf, sechs, sieben, acht und dann ging es wieder zurück (lacht). Es war irgendwann nicht mehr finanzierbar mit so vielen Musikern. Obwohl es mir gefallen hat, weil da alle möglichen Instrumente in der Band waren.

 

Wie sind die Musiker zu dir gekommen?

 

Man kennt sich untereinander und redet. Dabei sind nicht nur musikalische Kriterien entscheidend, sondern alle möglichen Dinge. Auch das Menschliche. Also ob man mit dem reden kann oder ob es irgend so ein eitler Hund ist (lacht). Auch die Verlässlichkeit zählt. Es kommt auf vieles an.

 

Kulturelle Unterschiede sind egal?

 

Die sind sekundär. Die sind nicht präsent. Man schaut, dass der Mitmusiker die Musik versteht und deswegen ist es naheliegend, dass das einer von hier ist. Also zum Beispiel passt zu uns kein Indonesier oder Afrikaner sondern jemand vom Balkan, oder auch Österreicher. Denn da ist man irgendwie zuhause. Aber ich habe keine Vorurteile diesbezüglich. Es ist egal von wo jemand ist.

 

Nach welchen Kriterien entsteht das Programm?

 

Vor allem nach künstlerischen. Ein Lied muss eine Botschaft haben, irgendwas Schönes muss darin sein. Wir haben dahin gearbeitet, uns nicht zu kommerzialisieren. Wir wollten immer unseren Weg gehen. Das war entscheidend. Es gibt moderne Sachen, wo man weiß, dass das den Leuten gefallen wird. Das zu spielen – da verliert man ein wenig den Charakter und das Gesicht und das ist nicht gut. Es hat sich herausgestellt, dass es ein längerer Weg ist, wie wir es machen, aber er ist auch beständiger.

 

Im Vergleich zu den meiner Meinung nach lebendigen Balkan-Volksliedern erscheint mir die österreichische Volksmusik eher jammernd. Oder täusch ich mich da?

 

Es gibt hier und dort melancholische Sachen, wie auch sehr fetzige und lustige. Ich weiß nicht, warum du das so empfindest? Ich kenne viele lustige österreichische Lieder, wir haben sogar welche im Programm. Nicht nur „Wenn ich einmal sterbe“. Es ist vielleicht typisch für Wien, dass man mehr jammert (lacht). Aber sonst in Österreich, in Tirol zum Beispiel, da gibt es gute, fetzige Lieder. Andererseits gibt es das bosnische Sevdalinka, das ist eine einzige Jammerei (lacht)! Dann gibt es aber auch die Kolos, die sind fetzig, die kommen aus Slawonien, wo ich herkomme. Da ist die Musik auch sehr lustig.

 

In der Balkan-Musik gibt es mehr Geigen, Klarinetten und so.

 

Die Balkan Musik, die sich hier im Westen durchgesetzt hat, mit diesen Brass-Orchestern, die ist eher zum Tanzen und so. Aber das ist natürlich nicht das einzige, das es am Balkan gibt. Es gibt ja viele andere Stilrichtungen. Vor allem, wie schon erwähnt, dieses Sevdalinka. In Dalmatien gibt es diesen A-Cappella-Gesang, der meistens sehr melancholisch und andächtig ist.

 

Wie wichtig ist bei der Tschuschenkapelle das politische Statement?

 

Sehr wichtig. Allerdings darf man das nicht mit der Keule „präsentieren“, sonst ist man kontraproduktiv. Das muss mit feiner Klinge kommen. Zwischen den Zeilen. Dann, glaube ich, hat das ganze mehr Effekt als mit dem Zeigefinger.

 

Hat sich da in den 25 Jahren des Bestehens vieles verändert?

 

Nein. Wir sind ein wenig älter geworden. Haben ein wenig was gelernt, technisch, mit den Instrumenten umzugehen und ich hoffe, dass wir nicht recht schiach sind (lacht). Aber die Stilrichtung ist beibehalten worden, die Folklore zu pflegen und einen Schritt weiter zu gehen in der Entwicklung des gleichen Materials. Wir sind da immer sehr vorsichtig und schauen, dass wir nicht reindreschen, da kann man viel kaputt machen. Denn das sind altbewährte, gute Sachen. Es ist kein Zufall, dass sich das Liedgut über Generationen gehalten hat. Das ist ein Beweis, dass es gut ist, dass es eine Botschaft hat und dass es einen künstlerischen Wert hat. Wenn man da jetzt daherkommt und sagt: „Ich modernisiere das jetzt“, das ist nicht so einfach, und auch nicht so gut. Da kann man viel ruinieren.

 

Die Wiener Tschuschenkapelle ist bei den „gipfelklaengen 2014“ dabei und ihr feiert ja auch euer 25-jähriges Jubiläum. Gibt es da ein Spezialprogramm?

 

Wir haben gerade eine neue CD herausgebracht, die wir voriges Jahr beim Donauinselfest live aufgenommen haben. Davon werden wir natürlich viele Sachen spielen, weil da viel neues Material dabei ist. Das ist auch unsere Jubiläums-CD. Und dann schaue ich natürlich, welche Leute da sind. Ich mache mein Programm immer fünf Minuten vorher (lacht). Das passiert je nach Stimmung. Also je nach Umgebung und ob man unplugged spielt oder über eine Anlage und wie viele Leute da sind.

 

Das ist eine Live-CD.

 

Ja. Überraschende dabei ist, dass 90 Prozent neue Sachen sind. Das ist nicht so üblich, dass man neue Sachen gleich mal live aufnimmt. Da haben wir einen Präzedenzfall geschaffen, da waren wir schon mutig.

 

Bei den „gipfelklaengen“ wird ja Wandern mit Kulinarik und Musik verbunden. Werdet ihr ein wenig mitwandern?

 

Wenn es die Möglichkeit gibt, wahrscheinlich schon. Zwei Leute von uns laufen fast täglich. Das ist deren Hobby. Die werden sich sehr freuen, wenn sie da draußen aktiv sein können. Ich bin auch gerne in der Natur und im Wald und wenn wir Zeit haben, werden wir das sicher nutzen.